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  13. Juli 2016
Hier, dort. Am Fluss.

Drei Bauarbeiter mit Schubkarren, orangefarbene Leuchtwesten über sandfarbenen Gewändern. Wir begutachten uns gegenseitig über den Fluss hinweg. Wir winken, sie winken zurück und treten nach einigen Minuten so unaufgeregt nach rechts ab wie sie von links aufgetaucht sind. So nah sind sie, und doch unendlich weit entfernt.
Zwei ältere Damen in bunten Gewändern und leuchtend blauen Kopftüchern. Sie treiben ihre mageren Kühe in einen spärlich bewachsenen Hang, kauern in den Felsen, beobachten uns dabei wie wir sie beobachten.
In der Nacht ein Wagen mit Blaulicht. Er kommt von rechts, holpert langsam durch die Szenerie, die wir trotz Mondschein nur erahnen können und während wir noch werweissen „was, wie, wo?“ schlafen wir auch bereits wieder ein. Nie werden wir herausfinden „was, wie, wo“, nie wird der Blaulichtwagen wissen, dass wir ihn bei seiner nächtlichen Blaulichtfahrt beobachtet haben.
Zwei Jungen auf einem Esel, am nächsten Morgen. Ein Mann von rechts, in weiten, leinenbeigen Hosen, schwer beladen mit zwei prall gefüllten Säcken, die ihm bleischwer über der Schulter hängen. Hirtenkinder, die ihre Tiere unbeholfen vom Fluss hinauf auf die Strasse zu treiben versuchen. Sie alle sind bloss ein Steinwurf von uns entfernt. Und doch trennen uns Welten.
Badende Kinder zwischen den Felsen, Jungen und Mädchen, nackt und schamlos. Als Sie uns erblicken ergiesst sich ihr ohrenbetäubendes Kreischen über die Fluten hinweg. Die Fluten, die hier, so würde manch einer wohl sagen, gut und böse voneinander trennen.
Hier eine staubige Strasse zwischen grünen Oasen. Dort, auf den andern Seite des milchiggrauen Panj eine ebensolche, auf der dieselben blau-silbrigen Mitsubishi Pajero zwischen denselben grünen Oasen verkehren. Und doch werden wir niemals einen Fuss in den Staub oder in die Oasen auf der anderen Seite des Flusses setzen.
Hier ein Land – Tadschikistan –, dessen Schönheit Menschen aus aller Welt anzieht. Dort eines – Afghanistan – , nicht weniger anziehend, nicht weniger faszinierend, das die Welt auf Trab hält und, obwohl in aller Munde, für lange Zeit unerreichbar fern bleiben wird.



  2. Juli 2016
Abkürzung

„Nach Toktogul?“ „Kanieschna!“, Selbstverständlich. Wir glauben ihm, dem ledrig gegerbten Imkergesicht, lassen es und ihn hinter uns und mit ihm seine Bienenhäuschen, die von einem ausgemusterten Anhänger vorzügliche Aussicht über das tief unten gelegene Susamyrtal geniessen. Wir biegen ein in die Gottverlassenheit. Das Tal ist lang, der Anstieg stetig. Hoch und höher führt uns der Feldweg, die Kehren werden zahlreicher, steiler, holpriger. Aus Kies wird Schlamm, aus Schlamm wird Schnee, wir sind froh um unseren Allradantrieb, weniger froh, dass wir bei den Reifen gespart haben. Sind trotzdem guten Mutes, dass wir diesen Pass, von dem wir nichts wussten, der uns mittlerweile aber auf weit über 3000 Meter gehievt hat, bewältigen werden. Dann wieder froh – und etwas peinlich berührt – als uns ein voll bepackter Kleinlaster entgegen kommt und sind anschliessend endgültig in unserem Abenteurerstolz verletzt als ein goldener Twingo neben uns hält. „Nach Toktogol? Kein Problem.“ Drei mit viel Gold ausgekleidete Kirgisenmünder grinsen uns breit aus ihrem goldenen Twingo an – was für ein Bild! –, eine nicht genau zu bestimmende Anzahl Kirgisenbengel tollt übermütig zwischen den stämmigen Erwachsenen herum. Den Rest der Konversation meistern wir, ohne genau verstanden zu haben worum es geht. „Viel Glück und gute Fahrt auf jeden Fall, Doswidanje!“

Wieder Kurven, hoch und runter, ein Tal ums andere, Stunden verstreichen. Grün hat wieder die Oberhand, die Chancen für Weiss sind gesunken. Elefantenrücken schichten sich vor- und hintereinander, stapeln sich über- und durcheinander. Lassen sich von der flachen Sonne umgarnen, wenden sich trotzig von ihr ab oder versteckten sich feige hinter grauen Wolkenfetzen. Herden kreuzen unseren Weg, oder wir den ihrigen. Schafe, Pferde, Kühe, ganz selten einige Yaks. Berittene Hirten, brau und ledrig wie der Imker, die nur zu gerne beweisen, dass man sie auch Cowboys nennen könnte. Hinter den Hirten leuchten weisse Punkte aus der bevorstehenden Nacht. Jurten, hoch oben in den Hängen oder – der Pragmatismus ist dem Bauern nicht fremd – gleich an der Strasse, denn: Wie kommt die Jurte auf den Berg und das Schaf auf den Markt? Natürlich mit dem LKW.

Plötzlich ein Dorf. Ein langes, aber schmales. Der Fluss ist seine Lebensader und noch mehr vielleicht die staubige Strasse. Wir werweissen, was eine solch stattliche Siedlung in dieser Abgeschiedenheit zu suchen hat. Eine Hochzeit unten am Fluss, der Weg zum Dorf gespickt mit Jung und Alt. Jung und Alt bestückt mit roten und weissen Bändern. Bereit dem Hochzeitspaar in der weissen Limousine zuzujubeln, geringfügig verwirrt über die unplanmässige Durchfahrt eines schmutzigen Gefährts mit fremden Gesichtern. Strahlende Kinderaugen, manchmal, freuen sich über die Abwechslung im langweiligen Dorf. Euphorische Jungs, für die ein Auto umso mehr Auto ist, je quadratischer sein Anblick. Skeptische Blicke aber auch, die unser Winken manchmal zerstreuen kann. Nicht selten aber verpufft unsere Geste unverbraucht im Gestrüpp entlang der Strasse.

Wir schlagen das Nachtlager im hohen Gras auf, etwas abseits der Strasse. Die Nacht bricht herein, der Himmel leuchtet, der Gaskocher zischt. Eine Kuh verbringt den Abend damit uns kauend aus sicherer Distanz zu beobachten. Ob sie neugierig ist oder sich einfach nicht an uns vorbei getraut? Wir wissen es nicht, ziehen unsere improvisierte Wohnküche etwas aus ihrem Heimweg, versuchen die Masche mit dem Winken, ergebnislos. Während dem Essen schauen wir ihr kauend beim kauenden Zuschauen zu. Wie gute Freunde, die auch ohne Peinlichkeit wortlos an einem Tisch sitzen können. Aus der Ferne Hirtenrufe, Donnergrollen, erstickende Esel. Wir legen uns schlafen, während die Kuh gemächlich an uns vorbeizieht, immer noch kauend, ohne uns auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.



  12. Juni 2016
Senden/Empfangen - rockenroll im Affspace

rockenroll gibt es ab sofort auch offline! Und zwar im Affspace, dem neuen Offspace für Architektur an der Münstergasse 4 in Bern.



  28. Mai 2016
Die Welt im Kleinen

Ein paar Münzen aus der Schweiz, ein paar übrig gebliebene tschechische Kronen. Das und nicht mehr braucht es um ein Strahlen in das dunkel gegerbte Gesicht eines zurückhaltenden und leicht zermürbt wirkenden Beizers irgendwo im russischen Grasland zwischen Wolga und Ural zu zaubern.
Als er uns nach Geld fragt, sind wir, Schande über uns, unschlüssig ob er sich versichern will, dass wir unser Essen bezahlen können oder ob er uns anbettelt. Erst etwas später, als wir seine Worte – russische natürlich – noch einmal rekapitulieren fällt bei uns der Groschen. Während wir das Privileg haben, die Welt zu bereisen, unser Geld hinauszutragen, uns von ihm hinaustragen zu lassen gibt er sich, wohl gebunden ans sein Café an der Strasse, der Faszination des Fremden im Kleinen hin. Holt sich die Welt ins Haus und ordnet sie in handlicher Form – Rubel, Dollar, Tenge, Som und neuerdings auch Franken und Kronen – behutsam ein in sein Sammelalbum.



  25. Mai 2016
Kein neues Kleid

Nicht richtig eingespurt, noch neben dem Gleis, so fühlt es sich an. Was ein neues Kleid sein könnte, in welches es nur reinzuschlüpfen gilt, gestaltet sich zäh. Wir sind zu schnell. Zu schnell, um dem Regen zu entfliehen, im Gegenteil, immer wieder holen wir ihn ein. Zu schnell um überhaupt Zloty zu besitzen. Zu schnell um die Wäsche sauber zu waschen. Das russische Transitvisum gilt nun als Massstab, unterteilt in Einheiten: Kilometer, Liter, Regenfronten, Zeitzonen. Der Weg ist nicht das Ziel, heute nicht und morgen auch nicht. Kasachstan gönnt uns fünf registrationsfreie Tage ohne Behördengänge, dann endlich sind wir da, in Bischkek, bei uns.



  23. Mai 2016
Ein Morgen in Russland

Zwei Brötchen zum Frühstück: 40 Rubel. Eine Autoversicherung für die nächsten zwei Wochen: Vier Anläufe, fünf Bekanntschaften und 3179 Rubel. Den Rest vom Morgen der eingezogenen Visakarte nachrennen: unbezahlbar.



  14. Mai 2016
Ameise fertig los!

Die Ameisenstrasse durch die Wohnung ist eingerichtet, Zeit zu gehen. Auf nach Österreich, wieder einmal Österreich, wieder einmal Regen. Auf nach Osten, dort scheint die Sonne. Scheints.



  3. Mai 2016
rockenroll 2.0

Die Live-Schaltung aus Bishkek steht, die Korrespondenten sind unterwegs!



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